Juli '25: Ich habe noch CFS, Fatigue und PEM – auch wenn es in diesem Beitrag manchmal anders klingt. Der Beitrag entstand in einer Phase, in der ich wahrnahm, die Fatigue und die PEMs sind vorbei. Das war März bis April '25. Ich weiß nicht, warum es mir da besser ging. Aber gerade wegen dieser Phase „Fast-Normalität“ entstand dieser Beitrag, den ich am 6. April begann. Ich wollte die Unterschiede zwischen Fatigue und Erschöpfung festhalten, bevor ich vergaß, wie Fatigue sich anfühlte.
Die Verschlimmerung der Fatigue
Dies ist der dritte Teil meiner Serie „CFS-Fatigue vs. Erschöpfung“. Diesmal spreche ich mit Chatty über PEM – die Belastungsintoleranz. Ich berichte, wie schon kleinste Anstrengungen tagelange Crashes aus lösen können, warum die Erschöpfung so unverhältnismaßig ist und welche Rolle Pacing spielt , um möglichst auf meiner Baseline zu bleiben.
Du hast noch nicht Teil 1 gelesen? Dann klicke hier – da geht's unter anderem um meine Erfahrungen der durchziehenden „Basis“-Fatigue von CFS.
PEM – die Belastungsintoleranz
PEM ist eine Verschlechterung der Fatigue
CHATTY:
Lass uns auf PEM, Post-Exertional Malaise, eingehen. Zu gut Deutsch, die Belastungsintoleranz. Deine PEMs in den Anfängen deines CFS hast du schon erwähnt. Egal wie zurückhaltend du mit deiner
Aktivität umgingst, du bist immer wieder in eine größere Erschöpfung gerutscht. Du hattest dich zwar von den größeren Erschöpfungsphasen erholen können – aber nie so vollständig, dass die Fatigue
(Erschöpfung) ganz verschwand.
PEM genauer erklärt
Die Belastungsintoleranz – oft als PEM (Post-Exertional Malaise) bezeichnet – bedeutet, dass Menschen mit ME/CFS körperliche, geistige oder emotionale Anstrengung nicht gut verkraften. Schon
kleine Belastungen können dazu führen, dass sich die Symptome, die ME/CFS-Betroffene haben, deutlich verschlimmern – nicht unbedingt sofort, sondern oft mit Zeitverzögerung von Stunden oder sogar
einem Tag.
Diese Verschlechterung ist unverhältnismäßig stark. Sie kann Tage, Wochen oder sogar länger anhalten und betrifft nicht nur die Erschöpfung, sondern oft auch Schmerz, Kreislauf, Konzentration und
viele andere Bereiche.
Die Folge kann beispielsweise so aussehen: Ein Betroffener, der vor der PEM zwar erschöpft aber doch ein paar Stunden am Tag tätig war, ist plötzlich für ein oder zwei Wochen ans Bett gefesselt.
Klicke hier für meinen Beitrag „Was genau ist ME/CFS?”
Grippe-Symptome
ICH:
Ja, und einige Betroffene berichten von grippeähnliche Symptome, bis hin zu Fieber haben.
(Diese grippeähnlichen Symptome würde ich erst später im Jahr bei PEMs kennenlernen. Meine Arme und Beine fühlen sich schwer an, wie Blei, fühle mich geschwächt und schlapp. Am Anfang des Crashes zitter ich beim Stehen, die Hand hat ab und an plötzlich einen Tremor.
Mal ist es mir zu warm, dann bin ich wieder am Frösteln. Fieber bekomme ich nicht, aber Magen-Darm-Grummeln und Brechreiz, Appetitlosigkeit. Ich werde mehr geruchs-, licht- und lärmempfindlich).
Der Crash: wie aus dem Nichts
Stunden oder Tage später schlägt die PEM ein
Ja, die PEM kann einem überraschen, weil man sich oft nach einer Anstrengung völlig „normal“ fühlt (also, normal im Sinne von: die normale, tagtägliche CFS-Fatigue wird noch gespürt) – und wie aus dem Nichts kommt dann Stunden oder Tage später eine tiefe Abgeschlagenheit – also die PEM.
Und das andere Besondere an PEM ist, dass sie völlig disproportional ist zu dem, was man getan hat! Das ist eine Sache, die bei einer PEM nicht zu kontrollieren ist: Die Intensität. Manchmal fand ich die PEM erschreckend.
Disproportionale Erschöpfung bei PEM
Proportionale Müdigkeit, sage ich mal, ist das, was ich jetzt erlebe, wo es mir besser geht:* Wenn ich im Haus arbeite, merke ich, dass ich langsam müde werde. Ich mache eine Pause – bis ich wieder genug Energie habe, um weiterzumachen – und diese Pause reicht. Und ich weiß vorab, dass es reichen wird. Ich reagiere auf Tätigkeit wie ein gesunder Mensch, also in einem „normalen“ Rahmen.
Ich sitze auf dem Sofa, trinke Tee, vielleicht knabbere ich an etwas, ruhe mich aus – und mache dann weiter. Wie jede normale, gesunde Person. Vielleicht bin ich ein bis zwei Stunden später wieder müde, aber das ist für mich persönlich nachvollziehbar. Ich bin halt nicht fit. Trotzdem kann ich weitermachen – mit Pausen.
Drei-Wochen-Crashes
Mit proportional meine ich: Kleine Anstrengungen brauchen nur kleine Pausen, sagen wir mal 10 Minuten – und große Anstrengungen brauchen halt längere Pausen; zum Beispiel eine Stunde. Oder: 5 Tage arbeiten gehen – und dann übers Wochenende müsste man sich eigentlich erholen können.
Wenn ich aber 5 Tage Teilzeit arbeiten gehe – und dann drei ganze Wochen brauche, um mich zu erholen – das ist völlig disproportional! Aber so habe ich das mal erlebt mit meinem milden CFS (dies habe ich Wochen später erlebt, als ich anfing, zu arbeiten).
Ein anderes Beispiel: Ich erlebe eine kleine Zerrung im Nacken – und die Zerrung verursacht einen Crash für drei Wochen – das ist doch völlig krankhaft! Klicke hier für meinen Beitrag „Mein CFS“, da gibt es weitere Beispiele. Darüberhinaus frage ich mich noch, wieso eine Muskelzerrung überhaupt eine PEM verursacht.
Minimale Belastung = schwere Erschöpfung
CHATTY:
Ja, das ist das Tükische an PEM: Eine minimale Anstrengung kann einen komplett oder schwer ausknocken. Die PEM ist eine unverhältnismäßig schwere Erschöpfung. PEM ist völlig unverhältnismäßig zu der Anstrengung, die man gemacht hat. Und legt das Denken und den Körper noch mehr lahm, als es schon vorher war.
PEM ist wie eine Warnung
ICH:
Ja, PEM ist eine krankhafte Erschöpfung – auf die krankhafte Erschöpfung oben drauf. Nicht vergessen: CFS schon ohne PEM ist eine krankhafte Erschöpfung, die man versucht, nicht zu reizen, also zum Crash/PEM zu reizen. Um das CFS nicht zu reizen, setzt man das Pacing ein. Klicke hier für meinen Beitrag „Aktivitätsmanagement für ME/CFS“, dort wird unter anderem das Pacing erklärt.
Ich sehe die PEM so: Körper und Kopf schicken einem eine Warnung. Allerdings ist sie eine verdammt drastische Warnung! Sie scheint zu sagen: Du bist über deine Belastungsgrenze geschritten! Halte dich innerhalb deiner Grenzen auf!
Es ist nämlich sehr schwierig, aus dem Crash wieder auf's „normale“ Niveau zu kommen. Mit normales Niveau meine ich die alltägliche Fatigue des CFS. Im CFS-Jargon heisst dieses Niveau die „Baseline“.
Ich konnte große PEMs teils vermeiden
Ich konnte große PEMs allerdings größtenteils vermeiden – zu 80 oder 90% der Zeit in den letzten acht Jahren, tippe ich mal. Klar, ein paar Prozente gehen auf unerwartete Situationen oder Stress, den es eben auch in der Familie gab, oder persönliche Stressoren.
Ich hatte die Möglichkeit, PEMs zu umgehen denn ich musste nicht arbeiten gehen, und ganz kleine Kinder hatte ich auch nicht. Dazu habe ich einen Ehepartner. Das sind Faktoren, die einen riesigen Einfluss haben, denke ich. Da haben es manch andere CFS-Betroffene weit schwieriger, sich zu genesen, oder auf ihrer Baseline zu bleiben.
PEM und die ganzheitliche Erschöpfung: Körper und Geist sind betroffen
Eine PEM war nicht nur irrational erschöpfend, sie hat sich bei mir auf den ganzen Körper gelegt – von den Beinen bis in den Kopf, ins Gehirn. Es hat mein Gehirn regelrecht vernebelt. Sowas verursacht eine normale Erschöpfung nicht, auch kein Burnout. Zumindest, nicht in dem Maße wie bei einer PEM.
CHATTY:
Dieses Gefühl, dass es den ganzen Körper betrifft – nicht nur eine normale Erschöpfung, sondern wirklich jede Faser, von den Beinen bis ins Gehirn: Das ist nicht einfach nur Müdigkeit, sondern etwas, das einen körperlich und mental lahmlegt.
Die Schwierigkeit, PEM für andere verständlich zu machen
ICH:
Ich glaube, das macht PEM auch so schwer verständlich für andere: Dass es kein Verhältnis zwischen Anstrengung und Erschöpfung gibt – und dass es einem ganz einnimmt, dass auch das Denken plötzlich erschöpfend ist. Das macht es so „krankhaft“ – es fühlt sich nicht mehr an wie etwas, das im Rahmen des Normalen liegt.
CHATTY:
Hattest du mit der Zeit diese PEMs vorausahnen können, sowie du irgendwann intuitiv wusstest, wie du mit deiner Fatigue umgehen musstest?
Ich konnte ahnen, wie viel Belastung einen Crash verursachen würde
ICH:
Vor einer PEM hatte ich irgendwann, allerdings etwas später, dann auch ein Gefühl. Ich konnte spüren: “Dies und das machst du lieber nicht, sonst crashst du.” Ich hatte eine Vorahnung entwickelt, ich weiß jetzt nur nicht mehr, wann sich das entwickelte. Also, die ersten Wochen oder Monate auf jeden Fall noch nicht, denn ich war jedes Mal verdattert, als ich bei jeder Anstrengung müde nachher war, und ich verstand nicht, warum dies immer wieder passierte, obwohl ich alles in Ruhe anging und mir ununterbrochen eine Auszeit gönnte.
Diese Vorahnung musste sich mit der Zeit entwickeln. Das Gespür dafür, was wahrscheinlich eine PEM auslösen wird – und was nicht. Und das Gespür dafür, dass ich grundsätzlich mein Tempo drastisch reduzieren musste, um gegen die Basis-Fatigue langfristig anzugehen. Damals, vor acht Jahren hätte ich nie im Traum gedacht, dass es Jahre dauern würde, CFS zu überwinden. Ich dachte, vielleicht Wochen. Höchstens Monate.
Aber ich muss zu dieser Vorahnung zu einer PEM sagen: Die war nicht total zuverlässig. Ab und zu wurde ich doch völlig überrascht von einer PEM.
Kein kurfristiges „normal fühlen“
CHATTY:
Hattest du, sag ich mal, nach einer Ruhepause kurzfristig eine Phase der Genesung, der „Normalität“?
Kein Genesungsgefühl nach einer Ruhephase
ICH:
Nein. Nach einer kurzen Ruhepause, so wie man das bei normaler Erschöpfung kennt, hatte ich keine kurzfristige Besserung. Ich wurde vom Crash erfasst, egal, ob ich mich direkt nach der Anstrengung hinlegen musste und sich das dann hinzog, oder ob es erst ein paar Stunden später kam. Selten war der PEM so verzögert, dass ich ihn erst am nächsten Tag spürte. Das Zermürbende des Crashes ließ dann langsam nach, ob nach Tagen oder Wochen, und ich spürte wieder die normale Fatigue, also die CFS-Erschöpfung.
Der Crash, also die PEM zog sich hin, egal ob für Stunden, Tage oder Wochen und ging dann langsam in die „normale“ Fatigue zurück. Und darüber war ich schon froh!
Dass ich mich langsam am wirklich genesen war über die Jahre, das wusste ich weil ich in klitzekleinen Schritten irgendwann, allerdings erst bemerkbar nach zwei oder drei Jahren, mehr tat, kräftiger wurde, mein Radius erweitern konnte, mich mit der Zeit weniger müde fühlte.
Vertiefung der PEM am nächsten Tag
Wie ich glaube ich mal erwähnt hatte – konnte es am nächsten Tag passieren, dass nochmal eine zusätzliche PEM obendrauf kam. Zum Beispiel, wenn meine Beine dann so richtig seltsam müde wurden. In der PEM-Phase wusste ich, ich ahnte, ich darf auf keinen Fall etwas auch nur leicht Anstrengendes machen, weil ich ahnte, dass es die PEM noch verschlimmern würde und ich noch länger bräuchte, um auf meine Baseline zu kommen.
Körperbewusstsein entwickeln
CHATTY:
Ich finde es total spannend, dass du diese Ahnung hattest – dieses intuitive Wissen, dass eine zusätzliche Anstrengung dich noch tiefer in die PEM ziehen könnte. Vielleicht entwickelt man mit der Zeit einfach eine Art Körperbewusstsein dafür?
Ich musste nicht „stark“ erscheinen
ICH:
Ich weiß es nicht genau, aber ich kann mir vorstellen, dass es bei Menschen mit CFS sehr unterschiedlich ist. Ich habe einen recht gut entwickelten siebten Sinn. Ich kann einiges vorausahnen, und vielleicht fiel es mir deshalb nicht schwer. Und meine Umstände waren für mich fast ideal: Ich musste nicht krampfhaft versuchen, meine Symptome zu verdrängen weil ich zum Beispiel studieren musste, oder arbeiten musste, oder „stark“ erscheinen musste. Die Vorahnung stellte sich bei mir also früh ein. Früh im Vergleich zu manchen CFSlern, die ihre Geschichte zum Beispiel auf YouTube erzählen.
Ich kann mir vorstellen, dass es bei einigen Menschen mit CFS lange dauert, bis sie so ein Gespür entwickeln oder danach handeln. Ich habe von vielen gehört, dass sie ihre Müdigkeit immer wieder ignoriert haben. Sie haben über Jahre hinweg anstrengende Dinge getan und die Warnzeichen ihres Körpers nicht ernst genommen. Vielleicht, weil sie nicht ahnten, dass diese Erschöpfung unnormal ist.
Einige dachten sich: Ich kann mich ja später ausruhen. Das, was ich gerade tue, macht jetzt einfach zu viel Spaß Oder: Das, was ich gerade tue ist mir superwichtig, muss ich unbedingt durchziehen. Aber irgendwann haben sie gemerkt, dass eine Pause nicht mehr ausreicht. Trotzdem haben sie nach einer Erholungsphase wieder genauso weitergemacht wie vorher – bis sie irgendwann bettlägerig wurden.
CHATTY:
Ja, das ist ein super wichtiger Punkt – dass diese Vorahnung oder dieses Körperbewusstsein nicht bei allen gleich stark ausgeprägt ist. Es hängt sicher von verschiedenen Faktoren ab:
- Wie gut jemand generell auf seinen Körper hört
- Welche äußeren Umstände jemand hat (z. B. Arbeit, Familie, soziale Verpflichtungen)
- Und auch, wie das CFS begonnen hat – wenn es schleichend kam, ist es vielleicht schwerer zu merken, dass etwas nicht stimmt
Ein ständiges Übergehen der Grenzen
Viele Leute haben ja, wie du sagst, lange Zeit die Müdigkeit ignoriert oder dachten: „Ich ruh mich später aus, das passt schon.“ Und irgendwann merken sie dann, dass es nicht mehr reicht – aber oft viel zu spät. Dieses ständige Übergehen der Grenzen kann halt langfristig wirklich gefährlich werden.
Deshalb finde ich es richtig gut, dass du so ein starkes Körperbewusstsein entwickelt hast. Und noch besser ist, dass du sagst, du willst diesen Respekt für deine Energie auch unabhängig von CFS behalten.
CFS – ein harter Lehrer?
Denn ja – auch wenn jemand nicht krank ist, ist es wertvoll, die eigenen Grenzen zu achten und nicht immer zu versuchen, mit anderen mitzuhalten. Vielleicht war CFS in gewisser Weise ein sehr harter Lehrer, aber einer, der dir eine Lektion beigebracht hat, die du dein Leben lang behalten willst.
Gut gegen PEM: Das Pacing
PEM ist nicht komplett unkontrollierbar
ICH:
Yes. Ich hoffe, ich werde mich immer dran erinnern, meine Grenzen zu respektieren.
Jetzt muss ich aber zurückgreifen auf unsere Aussage der unkontrollierbaren Natur von PEM.
Also, ich würde sagen: In gewissem Maße ist PEM unkontrollierbar – aber nicht komplett, denn man kann ja das Pacing einsetzen. Aber man kann nicht sich immer aufs Pacing verlassen, weil das Leben nicht vollständig kontrollierbar ist. Es passieren ständig Dinge, die einen überraschen oder in Situationen bringen, in denen man sich mehr anstrengt, als man eigentlich wollte.
Kleine Dinge, die einen zurückwerfen können.
Pacing: Innerhalb der Energiegrenze leben
CHATTY:
Pacing bedeutet, seine körperlichen und geistigen Aktivitäten so zu planen und zu begrenzen, dass sie unterhalb der individuellen Belastungsgrenze bleiben. Ziel ist es, seine Energie "weise" zu nutzen, um Verschlechterungen zu vermeiden.
ICH:
Genau. Klicke hier um mehr über's Pacing und weitere Management skills für ME/CFS zu erfahren.
Wie gesagt, ich glaube nicht, dass PEM völlig unkontrollierbar ist. Vielmehr ist es das Leben, das unberechenbar ist. Wie soll man perfekt kontrollieren, wie man seine Energie dosiert, um ohne Crash durch den Alltag zu kommen? Vielleicht habe ich das meistens ganz gut geschafft – aber natürlich nicht immer.
Die kleinen täglichen Herausforderungen und ihre Auswirkungen auf CFS
Es reicht manchmal schon, wenn plötzlich jemand an der Tür klopft. Man sagt: „Komm rein, auf einen Kaffee“, und dann sitzt man länger da, als einem guttut. Oder es kommt ein Kurier, oder mehrere überm Tag verteilt. Man liegt erschöpft auf der Couch – und dann klingelt es mehrmals, und man muss immer wieder aufstehen.
Oder jemand in der Familie braucht gerade Unterstützung, und ich möchte gerne helfen. Also rafft man sich auf und übernimmt noch eine kleine Aufgabe. Zum Bespiel alleinerziehende Mütter mit kleinen Kindern. Und ja – kleine Dinge läppern sich.
CHATTY:
Ja, ich verstehe genau, was du meinst!
Man kann sich noch so sehr bemühen, seine Energie perfekt einzuteilen, aber es gibt immer Überraschungen, Verpflichtungen, spontane Momente, in denen man mehr tut, als man eigentlich geplant hatte. Und dann läppert sich das.
Angst davor, die Baseline zu verschlimmern
Die Angst vor doppelter PEM
ICH:
Während des CFS muss man zurückschrauben um die Baseline-Fatigue nicht zu reizen. Aber während einer PEM muss man sich zehnmal so stark zurücknehmen, damit man nicht auf der PEM noch eine PEM bekommt!
Angst vor dauerhaft schlechterer Baseline bei wiederholten PEMs
Im letzten Jahr bekam ich tatsächlich ein wenig Angst. Ich hatte ein paar Mal ein Virus, eine Erkältung oder etwas Grippeähnliches, was bei mir jeweils einen Crash ausgelöst hat – eine PEM, eine größere. Ich hatte die Erkältungen verschätzt und machte zum Beispiel an einem Tag, wo ich deutlich merkte, dass ich in einem Crash reinschlitterte, ein klein wenig Yoga. Ich spürte den kleinen Crash vom Yoga – auf der großen PEM drauf.
Der Einfluss von Infektionen auf PEM
Oder: Du bekommst eine PEM, und dann zusätzlich eine Erkältung. Das ergibt eine doppelte PEM. Und da kam bei mir die Sorge auf, in eine so tiefe PEM zu rutschen, dass ich nicht mehr richtig herauskomme.
Je stärker oder länger eine PEM andauert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass noch etwas obendrauf kommt. Denn man kann nicht einfach sagen: Ich liege jetzt wochenlang im Bett, jemand anderes kümmert sich um alles. Im normalen Leben geht das nicht. Ich tat halt dann so wenig wie möglich, und mal wieder im Schneckentempo.
Da war dann bei mir diese Angst, im letzten Jahr, dass eine zusätzliche PEM dazu führen könnte, dass ich nicht mehr auf meine vorherige Baseline zurückkomme, sondern dauerhaft auf einer schlechteren lande.
Überhaupt hatte ich eine beängstigende Phase, wo ich öfters wegen einer miesen Erkältung eine PEM bekam. Trotz des CFS hatten Erkältungen mich früher nicht belastet, ich hatte deswegen keine Crashes. Aber dann plötzlich letztes Jahr schon. Ich hatte Angst davor, weiter abzurutschen oder dass meine Baseline sich arg verschlechtern würde.
Diese Angst hatte ich vorher nie. Über sieben Jahre ging es bei mir mit der Gesundheit sehr langsam bergauf. Ich wurde stetig besser. Es war vielleicht einfach Pech, dass ich im letzten Jahr so viele Viren abbekommen habe, die mich zurückgeworfen haben. Aber ich bin letztendlich gut durchgekommen.
Viren können eine dauerhafte Verschlechterung auslösen
CHATTY:
Ja, das, was du beschreibst, ist genau dieses stufenweise Abrutschen, das bei CFS so eine große Angst auslösen kann.
Während einer PEM weißt du intuitiv: “Jetzt bloß nichts tun, sonst wird es noch schlimmer!” Und das ist ja auch genau das, was die Wissenschaft über PEM sagt – jede zusätzliche Anstrengung kann die Erholungszeit verlängern oder sogar eine neue PEM auf die bestehende setzen.
Deine Beobachtung, dass eine Infektion einen Crash auslösen kann, ist auch total wichtig. Das ist ja ein bekanntes Phänomen – dass Viren nicht nur kurzfristig die Symptome verstärken, sondern eben auch dauerhafte Verschlechterungen auslösen können.
Aber du bist da gut durchgekommen. Und das zeigt ja auch, dass dein Körper trotz allem noch die Fähigkeit hatte, sich wieder zu stabilisieren – nur halt auf seine Art, in seinem extrem langsamen Tempo.
Und dann, dieses Jahr – kam der Zeitpunkt, wo du dir eine kleine Überanstrengung erlauben konntest.
Der Anfang vom Ende meines CFS?
Ich kann mir jetzt eine kleine Überanstrengung erlauben
ICH:
Ja. Dieses Gefühl des „ich kann mir jetzt eine kleine Überanstrengung erlauben“ kam wirklich erst ganz am Ende – also vor… was? Zwei Monaten? Sechs Wochen? – mit dem Fortschritt der Besserung.
Da kam der Moment, in dem ich gespürt habe: Jetzt kannst du vielleicht zum Supermarkt radeln. Ich ahnte: Es könnte einen kleinen Mini-Crash geben, aber nichts Gewaltiges, das mich zurückwerfen würde. Und vielleicht würde dieses vorsichtige „Ankurbeln“ meiner Energie sogar guttun – solange ich achtsam bleibe.
Belastung ohne großen Crash – ein neues Körpergefühl
Wie du weißt, fahre ich in den letzten zwei Monaten einmal pro Woche mit dem Fahrrad zum Supermarkt. Ich habe nie auf die Uhr geschaut, aber ich schätze, das sind etwa 15 bis 20 Minuten pro Weg. Als ich damals damit angefangen habe, erlebte ich am nächsten Tag einen kleinen Crash – ich habe es richtig gemerkt, also auf die CFS-Art.
Aber ich hatte dies in Kauf genommen, denn ich ahnte, dass das wöchentliche Fahrradfahren mir langfristig gut tun würde. Ich ahnte, dass mein CFS sich dem Ende näherte und dass ich mir kleine Anstrengungen leisten konnte.
In ganz kleinen Schritten geplant
Das mit dem 20-Minuten-Fahrradfahren zum Supermarkt habe ich auch erst begonnen, als ich gespürt habe, dass es möglich ist. Das war Februar, oder? Ich erinnere mich: Um überhaupt das Rad rauszuholen und es einfach mal zu probieren, brauchte ich schon einen kleinen Tritt in den Hintern und ein paar Tage.
Genau – ich konnte schon vorausahnen, dass selbst so eine Mini-Mini-Tour anstrengend sein würde.
CHATTY:
Eigentlich war der erste Plan: Du holst das Rad raus – was allein schon anstrengend genug war. Dann vielleicht am nächsten Tag schaust du, ob das Rad in Ordnung ist. Und erst am dritten Tag machst du eine ganz kurze Runde um den Block und stellst es dann wieder weg – einfach mal sehen, was passiert.
Ich spürte: ganz langsam angehen
ICH:
In den zwei Tagen, in denen das Rad draußen im Hof stand, konnte ich schon spüren und dachte bei mir: Wenn du es wirklich langsam angehst, kannst du vielleicht zum Supermarkt radeln.
Ich schätze, das sind etwa vier Blöcke. Ich erinnere mich noch genau – es war total ungewohnt für die Beine, und ich musste es ganz langsam angehen. Aber es war okay. Solange ich Respekt für meine Grenzen einhielt und den ganzen Weg sehr, sehr langsam radelte 😄
Wenn der Körper längst nach Pause ruft
Ein neues Körperbewusstsein nach mildem CFS
Ich habe ein neues Körperbewusstsein, eine neue Wahrnehmung meiner Selbst entwickelt, und ich bin froh darüber. Ich möchte diesen Respekt gegenüber meiner begrenzten Energie beibehalten – ganz unabhängig davon, ob ich CFS habe oder nicht.
Vielleicht hatte ich in meinem ganzen Leben nie so viel Energie wie andere, die ich bewunderte oder als Vorbild sah. Es bringt nichts, zu versuchen, mitzuhalten. Ich möchte mich selbst und meine persönlichen Grenzen besser respektieren – und ich hoffe, dass ich dieses neue Körpergefühl und die neue Selbstwahrnehmung weiterhin spüre.
CHATTY:
Dieses „ich muss schneller, geselliger, besser sein“ – das kenne ich aus vielen Erzählungen von Menschen mit ME/CFS. Dieses ständige innere Antreiben, auch wenn der Körper eigentlich längst nach Pause ruft. Dass du das jetzt so klar reflektierst, zeigt, dass du einen wichtigen Schritt machst: du siehst dich selbst und erkennst, dass deine Grenzen nicht Schwäche sind, sondern etwas, das respektiert werden will.
Wenn die Beschreibungen von CFS-Fatigue nicht ausreichen
ICH:
Wir kommen jetzt zum Ende unseres Gesprächs und ich merke ich bin frustriert. Ich weiß jetzt nicht, wie ich die typische CFS-Fatigue besser erläutern könnte, als durch das, was ich hier beschrieben habe. Ich habe zwar viele Komponente, also Symptome, mit deiner Hilfe sammeln und beschreiben können… Ich finde aber, meine Beschreibungen reichen nicht. Ich glaube, weil das Gefühl der Krankheit nicht adequat rübergebracht wird.
Mittlerweile gibt es einige private Webseiten von Menschen mit CFS im Internet. Vielleicht gelingt es ihnen, diese Erfahrung besser zu beschreiben. Das würde ich mir wünschen, denn je verständlicher man es für Menschen machen kann, die CFS nicht erlebt haben, desto besser für die Betroffenen.
CFS: Muss man es bekommen um es zu verstehen?
Ich bin ehrlich gespannt, wie viele Tausende von Menschen noch CFS bekommen werden. Denn ich merke selbst, dass Viren heutzutage krankmachender wirken als früher, vor der Corona-Zeit. Es ist wahrscheinlich, dass noch viele weitere Menschen CFS entwickeln werden. Dies sind meine persönlichen Vermutungen.
Was ich jetzt sagen werde klingt vielleicht hart, aber ich meine es nicht böse oder hart – möglicherweise ist dies der einzige Weg, um wirklich zu verstehen, was diese Form von Fatigue bedeutet: Ich denke je mehr Hausärzte, Forschende oder Wissenschaftler selbst an CFS erkranken, desto eher entwickelt sich ein echtes Verständnis – und vielleicht irgendwann auch ein Heilmittel. Natürlich wünsche ich mir, dass sie die milde Variante von CFS erfahren – das reicht schon.
Klicke hier für Teil 1 Fatigue und hier für Teil 2 Brain Fog.
*Juni '25: Ich habe doch noch CFS, Fatigue und PEM – auch wenn es in diesem Beitrag manchmal anders klingt. Der Beitrag entstand in einer Phase, in der ich wahrnahm, die Fatigue und die PEMs sind vorbei. Das war März bis April '25. Ich weiß nicht, warum es mir da besser ging.
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